Modifizierte Gentherapie lindert seltene Erbkrankheiten

Mailand – Ein internationales Forscherteam hat Kinder mit Wiskott-Aldrich-Syndrom oder metachromatischer Leukodystrophie mit einer Gentherapie behandelt, die dank einer Modifikation ein Leukämierisiko ausschließen soll, was zum Abbruch früherer Gentherapieversuche geführt hatte. Nach den Publikationen in Science ist beim Wiskott-Aldrich-Syndrom ein therapeutischer Erfolg erkennbar, während die Ergebnisse sich bei der metachromatischen Leukodystrophie noch nicht abschließend beurteilen lassen.

Als monogenetische Erkrankungen sind die metachromatische Leukodystrophie (MLD) und das Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) einer Gentherapie zugänglich. Bei der autosomal-rezessiven MLD muss der Defekt im Gen für das Enzym Arylsulfatase A (ARSA) repariert werden, damit es im Gehirn nicht zur Akkumulation von Sulfaten kommt, die die Nervenscheiden schädigen, was – je nach Verlaufsform – im Säuglingsalter oder erst beim jungen Erwachsenen zu neurologischen Ausfällen und schließlich zum Tod führt.

Bei der X-chromosomalen WAS führt ein Gendefekt zum Ausfall des WAS-Proteins, das im Knochenmark zur Differenzierung von Blutzellen benötigt wird. Die Trias aus Thrombozytopenie, Ekzemen und rezidivierenden Infektionen zeigt einen schweren Immundefekt an, der langfristig auch die Bildung von Malignomen begünstigt. Patienten mit WAS können durch eine Knochenmarktransplantation geheilt werden, wenn ein geeigneter Spender zur Verfügung steht. Bei der MLD waren Knochenmarktransplantationen bisher nicht erfolgreich, obwohl bekannt ist, dass Stammzellen aus dem Knochenmark ins Gehirn gelangen und dort Sulfate abbauen können.

16 Patienten – sechs mit WAS und zehn mit MLD – wurden in den letzten Jahren mit einer Gentherapie behandelt, die unter der Leitung von Luigi Naldini seit 1996 am Telethon Institut für Gentherapie am Ospedale San Raffaele in Mailand ausgearbeitet wurde. Das Prinzip besteht darin, Retroviren mit einer korrekten Version des Gens auszustatten.

Mit den modifizierten Retroviren werden dann im Labor Stammzellen infiziert, die den Patienten zuvor aus dem Knochenmark entnommen wurden. Die Retroviren integrieren ihr Erbgut mit der korrekten Version des Gens dauerhaft im Erbgut der Stammzellen, die dann den Patienten intravenös infundiert werden.

Zuvor wird bei den Patienten mittels einer myeloablativen Konditionierung das alte, kranke Knochenmark beseitigt. Diese Idee ist nicht neu und die Effektivität konnte in den letzten Jahren bereits mehrfach belegt werden.

Die Gentherapie erlebte aber einen Rückschlag, als ein Team um Alain Fischer vom Hôpital Necker in Paris vor zehn Jahren feststellen musste, dass die Retroviren, die sich planlos im Genom einnisten, manchmal auch ein körpereigenes Onkogen aktivieren. Da bei jeder Gentherapie eine sehr große Anzahl von Stammzellen infiziert werden, ist die Gefahr, das die eine oder andere Zelle zur Krebszelle wird, reell: Bei zwei von zehn Patienten kam es zur Entwicklung einer Leukämie.

Naldini will dieses Problem jetzt durch eine Modifizierung der Gentherapie gelöst haben. Zum Einsatz kommen teilweise inaktivierte Lentiviren, die sich nicht in der Nähe von Krebsgenen ins Genom integrieren sollen. Ob dieser Optimismus gerechtfertigt ist, wird sich zeigen. Bei den ersten sechs Patienten, über die das Team (dem auch Mitarbeiter des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg angehören) jetzt in Science berichten, hat ein langfristiges „Integration Site“-Profiling jedenfalls in keinem Fall einen Einbau der Gene an einem gefährlichen Ort angezeigt.

Jeweils drei Patienten waren wegen einer WAS oder eines MLD behandelt worden. Laut der Publikation in Science (2013; doi: 10.1126/science.1233151) kam es bei den drei Patienten mit WAS schon bald nach der Gentherapie zu einem Anstieg der Thrombozyten und die Zahl der Infektionen ging zurück, was Naldini auf die nachweisbare Expression der korrektiven Genvarianten in den retransplantierten Stammzellen zurückführt. Bei den drei Patienten mit MLD lässt sich der Erfolg noch nicht beurteilen.

Der Publikation in Science (2013; doi: 10.1126/science.1233158) ist zu entnehmen, dass die drei Patienten frühzeitig (im Alter von 25 bis 39 Monaten) in einem asymptomatischen Stadium behandelt wurden. Beim ersten Patienten, bei dem die Therapie inzwischen 21 Monate zurückliegt, ist es inzwischen zu ersten neurologischen Ausfällen gekommen, die Krankheitsprogression sei jedoch weitaus langsamer als bei den beiden älteren ebenfalls erkrankten Geschwistern.

Das Kind könne sich noch mit Gehhilfen bewegen, während seine Brüder in diesem Alter bereits an den Rollstuhl gebunden waren und Kopf und Oberkörper nicht mehr alleine halten konnten. Die beiden anderen gentherapierten Kinder sollen im Alter von 25 und 30 Monaten weiterhin asymptomatisch sein.