Leukodystrophien

Die Leukodystrophien sind genetisch angelegte fortschreitende Krankheiten, die das Gehirn, das Rückenmark und umliegende Nerven betreffen. Der Terminus „Leukodystrophie“ leitet sich ab von den griechischen Begriffen „leuko“ – weiß, auf die weiße Materie des Nervensystems bezogen – und „dystrophien“ – fehlerhaft wachsen oder sich fehlerhaft entwickeln.
Weiße Materie erscheint dem bloßen Auge weiß, da sie eine komplexe chemische Substanz namens Myelinscheide enthält. Myelin enthält eine ganze Reihe an fetten Substanzen oder Lipiden. Seine Aufgabe ist es, die Achse zu isolieren, über die Nervenreize geleitet werden, sehr ähnlich der Isolierung eines Elektrokabels, wobei die Achse das biologische Äquivalent des Kabels ist. Die Myelinscheide ist eine sehr komplexe Substanz. Sie besteht aus mindestens zehn, vermutlich sogar mehr verschiedenen chemischen Stoffen. Jede Leukodystrophie betrifft eine (und nur eine) dieser Substanzen, die die Myelinscheide alle in irgendeiner Weise beeinflussen, jedoch total voneinander getrennt sind. Eine Leukodystrophie eines bestimmten Typs bedeutet keinesfalls irgendeine Veranlagung oder ein gesteigertes Risiko, an einer anderen Art von Leukodystrophie zu eranken.
Wenn in der Medizin der Begriff „Leukodystrophie“ benutzt wird, wird damit eine Krankheit bezeichnet, die genetisch angelegt und fortschreitend ist. Das heißt, die Krankheit verschlimmert sich, wenn der Patient älter wird. Muskuläre Dystrophie ist ein weiteres Beispiel für diese Art von Erkrankungen. Streng von den Leukodystrophien unterschieden werden müssen Krankheiten, die durch Entzündungen, Infektionen oder Tumore ausgelöst werden. Bezogen auf die Weiße Materie muß besonders eine deutliche Unterscheidung zur Multiplen Sklerose (MS) gemacht werden. MS greift ebenfalls die Weiße Materie des Nervensystems an, doch sie ist entzündlich, nicht genetisch vorbestimmt, und sie zeigt häufiger einen charakteristischen „Auf-und-ab“-Verlauf als ein langsames Fortschreiten. Obwohl sich MS von den Leukodystrophien fundamental unterscheidet, werden Leukodystrophien gelegentlich falsch als MS diagnostiziert. Das liegt daran, daß neurologische Erkrankungen schwer zu diagnostizieren sind. Die Diagnose muß sich auf subtile Indizienbeweise verlassen, und sogar die erfahrensten Ärzte können damit Schwierigkeiten haben.

Eine genetische Beratung ist für alle Leukodystrophien anzuraten, außer für die Alexander-Krankheit, deren spezifischer biochemischer Defekt noch nicht bekannt ist.

Vererbungsmuster:
Das Vererbungsmuster bei Leukodystrophien ist entweder autosomal-rezessiv oder X-Chromosom-gebunden. Bei autosomal-rezessiven Krankheiten sind Jungen und Mädchen gleichermaßen betroffen, und beide Eltern müssen Träger (Heterozygoten) sein. Die Träger selbst haben keine Behinderung. Wenn zwei Träger heiraten, so wird durchschnittlich die Hälfte ihrer Kinder ebenfalls Träger sein, ein Viertel wird die Krankheit haben, und ein Viertel wird vollkommen normal sein.

Im Falle der geschlechtsgebundenen Krankheit, sofern ein betroffener Mann Kinder hat, werden alle seine Söhne vollkommen normal sein und alle seiner Töchter Trägerinnen.